Mutmaßungen unzulässig: Vor Erteilung eines Umgangsausschlusses müssen Familiengerichte hohe Hürden nehmen

Besonders kleinen Kindern möchte man gerichtliche Anhörungen nachvollziehbarerweise gern ersparen. Dass in Familiensachen in den meisten Fällen jedoch kein Weg daran vorbeiführt, bestätigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken.

Das AG hatte in einer Familiensache die Anhörung eines vierjährigen Kindes unterlassen, weil dieses bisher gar keinen Kontakt zum Vater hatte und sich das Gericht daher keine Erkenntnisse durch die Anhörung erhoffte.

Diese Vorwegnahme eines Ergebnisses war in Augen des OLG jedoch nicht zulässig. Nach dem Willen des Gesetzgebers muss ein Kind im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhalten, seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen. Spätestens ab dem dritten Lebensjahr ist die Anhörung zwingend. Ebenso rügte das OLG, dass das AG den Umgang vorläufig für anderthalb Jahre ausschloss, weil der Vater in psychiatrischer Behandlung war. Ohne sachverständige Beratung zum Krankheitsbild und zu dessen Auswirkungen auf den Umgang durfte diese Entscheidung nicht getroffen werden. Außerdem hätte abgewogen werden müssen, ob eine Umgangsbegleitung möglich sei. Ein Umgangsausschluss darf stets nur das letzte Mittel sein. Somit verwies das OLG die Sache zur weiteren Aufklärung an das AG zurück.

Hinweis: Vielfach wird angenommen, dass die Eltern eine Kindesanhörung vermeiden können, wenn sie sich im Gerichtssaal einigen. Das geht aber nicht: Eine Einigung kann ohne Kindesanhörung nicht vom Familiengericht gebilligt werden. Im August 2021 ist die entsprechende gesetzliche Vorschrift nochmals strenger gefasst worden.

Quelle: OLG Zweibrücken, Urt. v. 20.01.2022 - 6 UF 132/21
Fundstelle: www.landesrecht.rlp.de

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