Wechselmodell

Bisherige Hauptbezugsperson entscheidet: Streit über Schulwechsel muss nicht gleich das gesamte Wechselmodell infrage stellen.

Das sogenannte Wechselmodell setzt eine generelle Einigkeit beider Elternteile voraus. Was aber passiert, wenn diese Einigkeit nach Start des Wechselmodells an der Frage der Schulwahl endet, und ob mit dieser Uneinigkeit gleich das Modell an sich geändert werden muss, musste im Folgenden das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) entscheiden.

Die Eltern von zwei Kindern leben seit 2015 getrennt, und dies rund 17 km voneinander entfernt in Hamburg. Seit 2017 hatte der Vater das Wechselmodell begehrt, das im März 2020 - mit Beginn der Coronapandemie - im wochenweisen Wechsel gestartet wurde. Zufrieden war die Mutter damit nicht; sie wollte ensprechend wieder die Hauptbetreuungsperson sein. Sie habe dem Wechselmodell nur vorübergehend wegen ihrer beruflichen Situation während des Homeschooling zugestimmt. Der Streit eskalierte schließlich mit der Wahl des Gymnasiums, das der Neunjährige ab Sommer 2021 besuchen sollte. Jeder Elternteil nannte dabei gute Gründe für eine Schule in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Wohnorts. Die Entscheidung über die Schulwahl war aus Sicht der Eltern zentral, weil daran auch die weiteren Alltagsfragen und die konkreten Betreuungskonzepte hingen. So kam es zu einem Verfahren zur Schulwahl, einem zum Umgang, zu einem Eilantrag wegen des Aufenthaltsbestimmungsrechts und zu einem Eilantrag zur Frage des Erstwohnsitzes.

Das OLG war hingegen nicht der Meinung, dass die Wahl der Schule hierzu etwas vorwegnähme. Auch bei einer 17 km großen Entfernung ließe sich das Wechselmodell schließlich weiterführen. Das betreffende Kind wollte sich bewusst nicht auf eine Seite positionieren, sprach sich aber für die Fortführung des Wechselmodells aus. Das OLG sah in den gerichtlichen Verfahren der Eltern daher auch kein K.-o.-Kriterium für das Wechselmodell, da es den Umstand als naheliegend betrachtete, dass die Eltern nach einer Klärung wieder vermehrt an einem Strang ziehen könnten. Wenn keiner der anderen Abwägungskriterien ausreichendes Gewicht habe, griffen Gerichte gern zur "Kontinuität". Diese Beziehungskontinuität sah das OLG hier bei der Mutter, der somit das Recht zur erstmaligen Anmeldung des gemeinsamen Sohns auf die weiterführende Schule im Wege der einstweiligen Anordnung übertragen wurde. Sie war vor und nach der Trennung die Hauptbezugsperson, wobei die paritätische Betreuung während der Coronapandemie eine besondere Situation gewesen sei.

Hinweis: Das Zünglein an der Waage war, dass die Mutter selbst Lehrerin ist und der Senat den Eindruck hatte, dass sie bei der Schulwahl nicht nur die Bequemlichkeit der Nähe im Blick hatte, sondern auch das Konzept der Schule. Um einen solchen Elternkonflikt gerichtlich lösen zu lassen, muss nicht das gemeinsame Sorgerecht aufgehoben werden. § 1628 BGB bietet die Möglichkeit, nur für punktuelle Fragen ein Alleinentscheidungsrecht zu bekommen.

Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 22.06.2021 - 12 UF 61/21
Fundstelle: www.landesrecht-hamburg.de

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